Reiner Braun am 29.10.2025:Damals

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„Ein großer Krieg wird politisch vorbereitet“ – Wo steht die Friedensbewegung dabei? |
Sie sind ja schon lange in der Friedensbewegung aktiv. Gibt es Unterschiede im Hinblick auf die aktuelle Situation zwischen heute und damals?
Was ist mit „damals“ gemeint? Wenn es sich auf die Zeit um 1914 bezieht, sehe ich viele Parallelen, u.a. in der geostrategischen Entwicklung und ihrer Verbindung zu Krieg und Frieden – der dringende Wunsch nach Frieden führte 1918 schließlich sogar in revolutionäre Umwälzungen, die die Verwüstung und Massenvernichtung zugunsten weniger Profiteure nicht mehr erlauben wollten.
Bei einem Vergleich mit den 80er-Jahren wäre ich vorsichtig.
Das meinte ich aber mit „damals“.
Die Blockkonfrontation war gefährlich, aber von einer Rationalität der Vermeidung eines großen Krieges geprägt. Davon sind wir heute weit entfernt. Vergessen sollten wir auch nie, wie viel Bewegung und Neues durch Michael Gorbatschow mit einem Mal politik- und mehrheitsfähig wurde. Die Friedensbewegung wurde zu einer großen Massenbewegung auf der Basis vielfältiger sozialer Bewegung, friedensoffener Gewerkschaften, einer friedensorientierten Kirche, einer Umweltbewegung, die Mitgründer der Friedensbewegung war. Vergessen werden darf bei dieser Diskussion auch nicht die damals noch kraftstrotzende SPD, die ab 1982 in der Opposition war und sich vom „Raketenkanzler“ Schmidt zu neuerlicher Friedensoffenheit entwickelte.
Ganz anders die Rolle der jungen Menschen, der Studierenden. Sie waren ein zentraler Motor, wie auch die Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ in der DDR, die sich neben der offiziellen Friedensbewegung aktiv für den Frieden engagierten.
Ich warne vor simplen Vergleichen: Die Welt hat sich seit den 80er-Jahren mehr als einmal gedreht, und in dieser neuen, chaotischen, sich im Übergang befindlichen Welt voller Atomwaffen müssen wir gegen alle Widerstände den Frieden sichern und wieder mehr Entspannungspolitik erreichen. Mehr noch sehe ich die Friedensbewegung vor die Aufgabe gestellt, inmitten dieser Auflösungserscheinungen der Rationalität und des aufklärerischen Denkens die Frage des Urbedürfnisses des menschlichen Überlebens wieder zum Mittelpunkt der gesellschaftlichen Bestrebungen zu machen. Dies ist nur in einem emanzipatorischen Aufschwung zu machen und eröffnet weitere emanzipatorische Schritte.
Das Interview führte Marcus Klöckner.
Dieses Interview erscheint auf PhenixXenia.org mit Genehmigung der Nachdenkseiten wo es am 29. Oktober 2025 erstmals publiziert wurde.