Twiggi - In Deutschland erdacht, woanders gemacht
- Wie die Handykultur die Nutzung des Internets potenzieren kann
- Die Ultraschlanken kommen!
- Wolf-Dieter Batz (in "IT-Fokus" 6, 2001)
In der mobilen Informationstechnologie kämpfen bereits mehrere Parteien um den ersten Preis für den Hardware gewordenen Terminkalender mit Adressbuchfunktion. Notebooks haben Speicherplatz und Rechenpower wie seinerzeit die Mainframes; Organizer sind klein und von bemerkenswerter Ergonomie; Mobiltelefone können online gehen, digitale Daten übertragen und in Sachen Ergonomie sind sie Running Leader. Als die Fraktion mit der größten Marktdurchdringung werden Mobiltelefone (Handys) zwangsläufig zum technologietreibenden und -integrierenden Faktor für mobile IT. Gibt es da nicht Berührungspunkte mit dem Internet? Und falls ja: Welche Folgen hat diese Entwicklung für das Internet?
Bild 1: Anwendungsbeispiel für die TWIGGI-Technologie.
Bevor wir mobile IT im Kontext des Internet verstehen und damit positionieren können, ist etwas begriffliche Klarheit zu schaffen. Garantiert zweifelsfrei ist der Platz mobiler IT auf der Seite der Clients zu finden. Von welcher Art ein Client-Konzept sein muss, um in der Client/Server-Architektur des Internets auch den Randbedingungen mobiler IT zu genügen ist - wie sich zeigen wird - eine ganz und gar nicht-triviale Angelegenheit.
Herkömmliche Client/Server-Strategien aus dem UNIX- oder Microsoft-Lager setzen massiv auf den Einsatz weitgehend standardisierter und homogener Hardware- und Software-Komponenten für Client und Server.
- Durch Dick und Dünn
- Von Fat Clients & Thin Clients
Hier werden die Termini Fat Clients und Thin Clients als sehr gegensätzliche Begriffe für kaum zu vereinbarende Ansätze und Technologien gehandelt. Tatsächlich sind die Unterschiede eher marginal.
Fat Clients sind dem Wesen nach geschrumpfte Server. Ob NT Workstation und NT Server oder UNIX-Workstation und UNIX-Server; immer ist der Client von derselben Architektur wie ein Server: Ein zwar voll ausgebautes Stand-alone-System aber von relativ kleiner Dimensionierung. Der Client geht vorwiegend ans Netz, um Daten aus einem gemeinsam genutzten Repository zu beschaffen, seltener um einen Funktionsaufruf an einen Server abzusetzen.
Novell Netware & JAVA-Applets sind die bekanntesten Stichworte aus dem Bereich der Thin Clients. Thin Clients sind ebenso wie ihre „fetten Kollegen” Produkte auf derselben technologischen Basis wie die Server des benutzten Backends. Zum Thin Client werden sie durch Weglassen einer lokalen, also eigenen, Softwareinstallation. Damit tragen sie zwar zu einer Senkung des Total Cost of Ownership (TCO) bei, nicht aber zu einer Senkung des Hardwarebudgets und auch nicht zu einer Milderung der technischen Komplexität auf Nutzerseite. Thin Clients sind also Thin-SoftwareClients und Fat-Hardware-Clients gleichermaßen.
- Der Ultra Thin Client
Der Ultra Thin Client ist ein echter ThinHardware-Client. Wie bei den oben genannten betagten Vertretern mit zeichenorientierter Oberfläche besteht seine wichtigste Aufgabe darin, den eingehenden Datenstrom in eine Bilschirmdarstellung zu transformieren beziehungsweise die Benutzeraktionen in einen entsprechenden Datenstrom zurück zum Server zu übersetzen.
Da auf einem solchen Client keine Applikationslogik abläuft, benötigt der Ultra Thin Client auch keine spezifischen Hardwareressourcen. Es genügt, die Transformationsmimik von Datenstrom zu Bildaufbau und zurück als Firmware abzulegen und dem ganzen etwas Memory beizufügen.
- Wozu noch immer Fat-Hardware-Clients?
Der Kommunikationsaspekt, jeden Server von jedem beliebigen Ort der Welt aus erreichen zu können, ist der bis heute offensichtlichste Fortschritt, den das Internet bietet. Damit war „das Netz“ sofort als kostengünstige Transportinfrastruktur für herkömmliche Client/ Server-Anwendungen verstanden worden.
Analog zum diskless Client der Novell Netware wurde durch die Java Virtual Machine (JVM) mit dem Just in Time (JIT) Compiler eine lokale Ablaufumgebung für komplette Anwendungen bereitgestellt: Der Programmcode erreicht den Client via Internet und wird von der lokalen CPU im lokalen Adressraum ausgeführt.
Hier erhebt sich die Frage, warum bei den eindrucksvollen Leistungsressourcen von Servern im Internet immer noch die lokale CPU für die Abarbeitung der Applikationslogik herangezogen wird. Die Antwort ist recht simpel: Trotz Client/Server-Referenzmodell der Gartner Group wird die Präsentationslogik der Clients bis heute mit einem satten Anteil der Applikationslogik verschmolzen.
Damit sind Clients mit reinem Terminalcharakter keine Kategorie mit der heute im Markt befindliche Softwareprodukte umgehen können, wenn man einmal von den betagten Anwendungen mit IBM3270- oder VT100-Interface absieht.
- Ultra Thin Client, die Erste - WAP
Der erste Versuch, das Internet als Backend für mobile Informationstechnologie zu nutzen, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits hinter uns.
Das Wireless Application Protocol (WAP) ist einer der ersten Ansätze, das Handy als Ultrathin Client für Applicationen im Internet zu nutzen. Mangels ergonomischer Reife und wegen der Notwendigkeit, ganze Präsentationen neu zu implementieren, wurde der Durchbruch zur kritischen Benutzermasse bislang nicht erreicht.
Tatsächlich hat-WAP die Tradition des Ultrathin Clients als Terminal eindeutig zu ernst genommen. In seiner dreißigjährigen Geschichte ist das Internet erst ganze fünf Jahre consumertauglich. Der Grund für den aktuell zu beobachtenden Internet-Hype liegt bekanntermaßen in den Multimediafähigkeiten des World Wide Web (WWW). Wer diesen erstklassigen Ergonomiefaktor übersieht, muss sich über die Folgen im Klaren sein.
- Wie weiter? - Der neue Ultra Thin Client
Schmucklose, charakterorientierte Benutzeroberflächen der Terminalklasse haben auch unter dem ArgumentationsGeleitschutz, professionelles Equipment oder Industriestandard zu sein, keine Chance, den Massenmarkt zu gewinnen. Heutige Anwender - auch die Profis unter ihnen - akzeptieren IT-Anwendungen nur noch dann, wenn sich diese wenigstens via Mauszeiger und Fenstertechnik bedienen lassen.
Die dafür notwendige Technologie liegt bereit. Die Spaltung mobiler IT in die Lager Notebook, Organizer und Handy findet ihre Berechtigung höchstens noch in Marketingstrategien. Technisch sind Hybridgeräte heute weder eine Herausforderung noch wirkliche Innovation. Der neue Communicator 9210 von Nokia oder Compags aktueller IPAQ mit der Nokia Phonecard im PCMCIA-Slot belegen dies recht eindrucksvoll.
Die massenmarktgängige Client-Technologie ist onlinefähig wie ein Handy, kompakt wie ein Organizer und ergonomisch wie der Webbrowser auf einem Notebook.
- Die Monolithen ächzen
Wir haben gesehen, dass gängige, aktuelle Softwareprodukte noch nicht vollständig den Bedingungen einer zeitgemäßen Client/Server-Architektur unter Nutzung der mobilen Informationstechnologie genügen: Es fehlt exakt die Nahtstelle zwischen Präsentations- und Applikationsschicht, an der der Ultra Thin Client andocken könnte.
Obwohl das Bekenntnis zur Client/ Server-Architektur seit Beginn der neunziger Jahre zur Standardpräsentation jedes Softwareherstellers gehört, darf man daher vor diesem Hintergrund und bezogen auf diesen Aspekt von monolithischen Softwarearchitekturen sprechen.
Selbst sehr prominente Anbieter mit klingenden Namen sehen sich heute in der Situation, die Anforderungen des Internet nicht ausreichend in ihre Produktstrategie integriert zu haben. Mit unterschiedlicher Finanzkraft und technologischer Brillanz arbeiten darum alle Hersteller derzeit an Strategien, ihre Produkte für die Nutzung über Ultra Thin Clients zu öffnen.
Das Ziel, einen Zugang für Ultra Thin Clients für Anwendungssoftware anzubieten, verdient einen strategischen Ansatz, dem grundsätzliche Überlegungen vorausgehen sollten. Dem steht erfahrungsgemäß der Wettbewerb von Marktteilnehmern entgegen. Trotzdem lassen sich bemerkenswert gleichlaufende Entwicklungen einzelner Hersteller beobachten.
Die wichtigste Beobachtung ist das wachsende Angebot an so genannten Application Servern. Damit ist wesentlich der Umzug der ursprünglichen Fat Clients, die proprietäre Software-Clients waren, in einen proprietären Server vollzogen worden. Die ursprüngliche Präsentationsschicht ersetzt nun ein serverbasierter Codegenerator, der einen Datenstrom zur Darstellung auf einem Webbrowser sendet.
- Das Internet wird neu entdeckt
Das Internet ist nicht alleine ein Geflecht von kostengünstigen Kommunikationsverbindungen, sondern auch die umfangreichste Versammlung von Verarbeitungsleistung in der Technologiegeschichte oder „der größte denkbare Computer“. Eine wesentliche Eigenschaft stellt dabei die strenge Festlegung auf das gemeinsame „interne” Kommunikationsprotokoll TCP/IP dar. Dieser Aspekt des Internet ist seit Jahren wesentliche Grundlage des Softwareengineerings der batz DV-Consulting GmbH. Die geschilderte Entwicklung monbolithischer Standardsoftwareprodukte bestätigt unsere Wahrnehmung und Nutzung des Internet in eindrucksvoller Weise: Ultra Thin Clients sind die neuen Terminals zum Supercomputer Internet.
Innerhalb eines vollständigen Technologieframeworks präsentiert die TWIGGI-Architektur den Webbrowser als Terminalplattform. Entwickelt mit dem Ziel, einen Befehlsdatenstrom in ein Screenlayout zu übersetzen, sind Webbrowser die benötigte Hybridisierung aus zentral gesteuertem Frontend und Windows-Desktop.
Da der Einsatz als komfortables Großrechnerterminal nicht ursprüngliches Ziel der Browserentwicklung war, fehlen der Browsertechnologie beziehungsweise dem zugehörigen Kommunikationsprotokoll HTTP erwartungsgemäß einige wesentliche Eigenschaften. Die TWIGGI-Plattform bietet beispielsweise standardisierte Technologien für das Verwalten und Steuern von Transaktionen zwischen Webserver und Webbrowser. Ebenso enthalten sind Techniken für den dynamischen Aufbau von Bildschirmen und deren Adhoc-Beeinflussung via Portal- oder ClickstreamInformationen. Die Einsatzreife der TWIGGI-Technologie konnte in Kooperation mit Partnern wie E-Plus und Compaq in zahlreichen Referenzinstallationen gezeigt werden. Der Nutzen mobiler Informationstechnologie steht somit gerade am Anfang seiner Entdeckung. Immerhin hat bereits jeder zweite Bundesbürger ein Handy.
- Fazit
Der Wunsch, Nutzer von Geräten der mobilen Informationstechnologie via Internet als Kunden moderner Standardsoftware zu gewinnen, hat zu einem Wandel tradierter Softwarearchitekturen aus der Client/Server-Dekade geführt. Die Entwicklung des Webbrowsers vom Consumerfrontend zum Terminal für Internetanwendungen bringt wieder eine klare Trennung von Anwendung und Benutzeroberfläche. Damit wird moderne IT so anwenderfreundlich und einfach zu bedienen sein wie heutige Handies, deren kommende Generationen zum generalisierten Client für den Internetnutzer avancieren werden. (Wolf-Dieter Batz)
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Ein voll ausgebautes Rechnersystem für den Einzelplatzbetrieb. Die Nutzung als Client ist ein Addendum zur ursprünglich intendierten Nutzung als Personal Computer. Der Fat Client trägt den größten Teil der Anwendungslogik lokal und geht daher nur für die Datenbeschaffung ins Netz. |
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Ein Fat Client ohne eigenen Massenspeicher und damit auch ohne eigene Softwareinstallation. Ausführbare Software wird zwar von einem Serversystem geladen, aber lokal ausgeführt. Der Thin Client ist demnach lediglich ein Thin Software Client. Beispiele sind diskless Workstations unter Novell Netware oder aktuelle JAVAStations. |
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Tatsächlich ein Thin Hardware Client. Die Anwendungslogik wird remote/zentral ausgeführt und bedarf daher keiner Ressourcen auf der Clientseite. Klassische Beispiele sind die Non Programmable Devices (NPDs) oder dumme Terminals aus den Zeiten der Mainframe- und Minicomputer-Dominanz. |
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Die Gartner Group unterscheidet drei logische Ebenen oder Schichten in der Architektur von IT-Anwendungen: (i) Die Datenschicht, (ii) die Applikationsschicht und (iii) die Präsentationsschicht. Sowohl innerhalb wie auch zwischen diesen Schichten können Trennlinien oder Interfaces eingebracht werden. Für Client/Server-Architekturen werden solche Interfaces allgemein als Netzwerkinterfaces gedacht. Damit wird aus einer Softwarearchitektur auch eine potenzielle Hardwarearchitektur: Es ist gleich, ob die einzelnen Schichten oder ihre Fraktionen auf der selben oder auf verschiedenen Maschinen ablaufen. |