Thomas Adam: Naturschützer befürchten Bestandszusammenbrüche
- „Regionales Symptom des Klimawandels“
- Amphibienbestände lokal stark geschrumpft
- Erster nasser Frühling nach etlichen Trockenjahren
Region Karlsruhe (tam) Anhaltender Starkregen, Wiesen und Felder unter Wasser, regional sogar gefährliche Überschwemmungen: Die Frühlingsmonate 2024 waren nass wie seit langem nicht mehr. Wo die Niederschlagsmengen nicht gerade jedes Maß überstiegen und sonst gemächlich fließende Bäche in gefährliche reißende Ströme verwandelten, war die Feuchte für den Naturhaushalt dringend notwendig. Und schuf beste Bedingungen auch für Frösche und Kröten – so wenigstens hat es äußerlich den Anschein.
Dem völlig entgegen steht das düstere Bild weitgehend zusammengebrochener Amphibienbestände, das Naturschützer überall in der Region zeichnen. Denn ein einzelnes nasses Frühjahr mag eine gewisse Atempause bedeuten, schafft aber allein noch keinen Ausgleich für die Trockenheit der vergangenen Jahre. „Wir haben extrem wasserarme Zeiten hinter uns“, sagt Klaus-Helimar Rahn, Sprecher des Arbeitskreises Karlsruhe des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg und selbst Amphibienschützer in Pfinztal. „Seit 2011 gab es in Deutschland mehrere ausgesprochen dürre Jahre hintereinander. Die vergangenen nassen Monate sind eher die Ausnahme und nicht die Regel – und sie machen auch nicht von heute auf morgen wieder wett, was sich als regionales Symptom des Klimawandels ein ganzes Jahrzehnt lang negativ entwickelt hat.“
Die teils weit zurückreichenden Zahlenreihen der Naturschutzgruppen, mit denen sie die Ergebnisse ihrer jährlichen Betreuungsaktionen entlang den Straßen dokumentieren, belegen deutlich: Zwar sind die Tümpel derzeit nach langer Durststrecke wieder voll mit Wasser – aber voll von Amphibien sind sie keineswegs. Denn die Bestandszahlen sind zumeist stark rückläufig: Auch wenn die Tiere grundsätzlich zu Massenvermehrungen in der Lage sind und nun auf eine kleine Erholung der Populationen zu hoffen sein mag, wirken zu lange Phasen von Hitze und Trockenheit doch als immer schneller sich drehende Abwärtsspirale.
So verzeichnen die Naturschützer in Untergrombach, deren Spitzen in jüngerer Zeit bei fast 5000 Tieren im Jahr 2015 lagen, aktuell nur wenige Dutzend wandernde Amphibien. Fast ebenso massiv der Einbruch im Karlsruher Schlossgarten und Hardtwald: ein Rückgang um 75 Prozent in wenigen Jahren. Was an der seit 2012 vom NABU Hambrücken betreuten Amphibienwanderstrecke entlang der Landstraße vor der Forster Autobahnzufahrt mit tausend Erdkröten begann, erreichte heuer nach kontinuierlichem Rückgang einen traurigen Tiefpunkt mit 50 Tieren, während im Bereich des Naturschutzgebiets Ritterbruch bei Oberacker seit Jahren vor allem die Molche völlig ausbleiben, wie der NABU Kraichtal feststellt. Zahlen „eher im unteren Niveau“ vermelden ebenso die Weingartener Naturschützer für das dortige Moor. Einigermaßen stabil – zwar mit Schwankungen, unter dem Strich aber mehr als 7000 Tieren auch in diesem Jahr – zeigt sich lediglich die Wanderung von Erdkröten an zwei Strecken auf Gemarkung Waghäusel.
Zum Problem werden die vielerorts rapide sinkenden Zahlen auch für die ehrenamtlichen Naturschützer selbst – geht es doch um die Motivation sowohl der seit langem Aktiven wie der neugewonnenen Mit-Sammler. „Es ist schon etwas völlig anderes, mit neuen interessierten Helfern an Abenden mit Massenwanderungen unterwegs zu sein, wie es sie früher gab – oder sich schon über den Fund von ein oder zwei Tieren freuen zu müssen“, sagt Regine Carl vom Verein für Umwelt- und Naturschutz Untergrombach, der seit vier Jahrzehnten die Strecke Richtung Weingarten betreut. Dauerhaft motivieren ließen sich die freiwilligen Helfer unter diesen ungünstigen Bedingungen nur schwer.
Und doch ist gerade dieser Punkt eine entscheidende Voraussetzung für die neuerliche Erholung. Je geringer die verbliebene Individuenzahl eines lokalen Bestandes, desto realistischer das Erlöschen. „Umso wichtiger“, betont Hans-Martin Flinspach von den Weingartener Naturschützern, „wird die Amphibienbetreuung und der dauerhafte Schutz durch Leiteinrichtungen an den bekannten Wanderstrecken.“
Und generell auch der Umgang mit den natürlichen Wasserressourcen, ergänzt Hartmut Weinrebe, Regionalgeschäftsführer des BUND Mittlerer Oberrhein: Nur ein gelegentliches nasses Jahr zwischen vielen zumeist trockenen, das sei weder für die Amphibienbestände noch für die Artenvielfalt insgesamt ausreichend, zeigt sich Weinrebe überzeugt. „Gerade die Oberrheinebene wurde über etliche Generationen hin mehr und mehr gezielt trockengelegt.“ Heute hingegen müsse man sich die Frage stellen: „In welchen ökologisch wertvollen Bereichen kann ich Flächen gezielt wiedervernässen?“ Etwa wie bei der früheren Wiesenkultur durch planmäßiges Überstauen, wenn nach Niederschlägen genügend Wasser zur Verfügung steht. Denn dessen Zurückhalten in der Landschaft fördere die Biodiversität und fülle hier die Grundwasserspeicher auf. Angesichts weiterer zu erwartender Trockenzeiten sei dies ein zentraler Beitrag zur Klima‐Anpassung. Ein Umdenken habe stattzufinden, so Weinrebe: Wasser dürfe nicht länger ungenutzt über abflussrinnenartige Gräben, Bäche und Flüsse ungebremst Richtung Nordsee geleitet werden.