Reiche und Arme

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Es gibt eine arbeitende Klasse - stark und glücklich - unter den Reichen sowohl, als unter den Armen, und eine müßige Klasse, - schwach, ruchlos und erbärmlich, - unter den Reichen sowohl, als unter den Armen. Die schlimmsten Mißverständnisse zwischen beiden Ständen rühren von der unglücklichen Tatsache her, daß die Weisen des einen Standes (darin so wenig weise) gewöhnlich die Törichten des andern betrachten. Wenn die fleißigen reichen Leute auf die faulen Reichen acht haben und sie tadeln wollten, und wenn die fleißigen Armen die faulen Armen beaufsichtigen und verweisen wollten, dann wäre alles in Ordnung.

Aber jeder Stand sieht nach den Fehlern des andern.

Ein hart arbeitender, vermögender Mann ärgert sich besonders an dem faulen Bettler, und der ordentliche, aber arme Arbeiter ist von Natur unduldsam gegen die ausschweifende Üppigkeit des Reichen. Und was in den Gemütern der gerechten Männer jeder Klasse strenges Urteil ist, wird in den ungerechten, - aber nur in ihnen - zu grimmiger Feindschaft. Nur zuchtlose Arme sehen die Reichen als ihre natürlichen Feinde an und verlangen danach, ihre Häuser zu plündern und ihr Eigentum zu teilen. Nur zuchtlose Reiche sprechen in schimpflichen Ausdrücken über die Laster und Torheiten der Armen.

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Quelle

The Crown of Wild Olive, John Ruskin, 1866-1869 (Übersetzung von Maria Kühn, 1910).