Corrado Simioni

Aus phenixxenia.org
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Zurück

Übersicht

Vorwärts

Corrado Simioni, geboren am 10. Februar 1934 in Dolo bei Venedig.

Biografie

Simioni ist von Beruf Lehrer. Bis 1965 ist er eng liiert mit dem rechten Sozialisten Bettino Craxi, der später Parteivorsitzender der PSI, enger politischer Freund von Silvio Berlusconi und Mitte der 80er-Jahre Ministerpräsident wurde. Wegen gravierender Korruptionsdelikte angeklagt, floh Craxi nach Tunesien, wo er im Jahr 2000 starb.

Seine ehemaligen Parteigenossen der frühen 60er-Jahre beschreiben Simioni als aktiven Antikommunisten. 1965 wird er aus der sozialistischen Partei PSI wegen nie ganz geklärter »moralischer Unwürdigkeit« ausgeschlossen. Unmittelbar danach beginnt er bei der amerikanischen Propaganda- und Kulturinstitution United States Information Service tätig zu werden. Dann geht er zwei Jahre nach München, um dort — so seine eigene Legende — Theologie und Philosophie zu studieren. Nach Angaben anderer war er jedoch bei Radio Free Europe tätig, bekannt als ein bis Osteuropa reichender, antikommunistischer Propagandasender der CIA. Ende der 60er-Jahre wird er in einer bei der linksradikalen Zeitung "Lotta Continua" auftauchenden Namensliste als in Italien operierender CIA-Agent aufgeführt. Er soll fließend Latein und Deutsch sprechen können.

Was auch immer er in München gemacht hat, zu den ausbrechenden Studentenunruhen erscheint er pünktlich als Linksradikaler in Mailand und gründet zunächst eine maoistische Gruppe, für die Gelder aus Bern ankommen. Bern ist, wie später entdeckt wird, Sitz des Koordinierungszentrums der CIA in Westeuropa. Mit Renato Curcio gründet er Ende 1969 in Mailand die Gruppe CPM (Collettivo Politico Metropolitano), zu der bald auch Alberto Franceschini aus Reggio stößt. Franceschini beschreibt ihn als einen charismatischen Führer mit einer außerordentlichen kulturellen Bildung, die er gerne zur Machtausübung über andere einsetzte. Schon in dieser Zeit hat Simioni enge Kontakte zu linksradikalen französischen Gruppen in Paris. Er gehört zum Gründungskern erst der Roten Brigaden, dann des militanteren Superclans, unterhält Kontakte mit Giangiacomo Feltrinelli.

Nach 1972 verlieren sich Simionis Spuren. Es scheint gesichert, dass er sich auch danach längere Zeit in München aufgehalten hat. Er setzt sich nach Frankreich ab, nachdem die Mailänder Staatsanwaltschaft 1975 einen internationalen Haftbefehl gegen ihn erlässt, der nach einem Jahr erstaunlicherweise wieder zurückgenommen wird. Es wird angenommen, dass er der entscheidende Kopf für die Organisierung des europäischen Terrorismus und der geheimen Aktivitäten (Anlaufstelle für europäische Terroristengruppen, wie RAF, BR, IRA, ETA) der Hyperion-Schule in Paris war. Doch auch da sind seine Spuren verwischt.

Zur Vorbereitung einer Zweigstelle der Hyperion-Schule taucht Simioni mit Duccio Berio zwischen Ende 1977 und Juni 1978 in Rom auf, also genau zur Zeit der Entführung Aldo Moros.

Anfang der 80er-Jahre beginnt der venezianische Untersuchungsrichter Carlo Mastelloni im Zusammanhang mit illegalem internationalem Waffenhandel zur Hyperion-Schule und zu Simioni zu ermitteln. Verbindungen mit dem KGB werden angenommen.

1985 stellt er sich dem "Espresso" für ein Interview zur Verfügung, in dem er sein Unbeteiligtsein an terroristischen Aktionen versichert. Als er gefragt wird, ob der bewaffnete Kampf, im Sinne einer politischen Strategie, in Italien nun zu Ende sei, antwortet Simioni, dass seiner Meinung nach der bewaffnete Kampf mit der Verhaftung von Curcio und den anderen Mitgliedern des historischen Kerns zu Ende ging. Alles, was später gekommen sei, einschließlich der Affäre Moro, sei etwas anderes gewesen, nämlich der Triumph militärischer Technokratie. Das klingt danach, als ob die Ausschaltung des Gründerkerns Teil der militärischen Strategie der Geheimpolitik war. Nach diesem Interview hat man nie mehr etwas von ihm gehört.

Schon früh ist ein klarer Verdacht gegenüber Simioni da. Nach dem Bruch zwischen ihm und seinen Leuten des Superclans kommen Renato Curcio und Alberto Franceschini in einem Treffen mit den Führern von Lotta Continua und Potere Operaio, den beiden anderen größeren linksextremen Organisationen im Italien jener Jahre, überein, dass Vorsicht gegenüber Simioni gewahrt werden müsse, da er ein Agent der CIA sei, der eine hyperclandestine Struktur aufbaue, deren Elemente er in die bestehenden linksextremen Organisationen einschleusen wolle.

Ende der 80er-Jahre bestätigt Alberto Franceschini, 1974 verhafteter Gründer der Roten Brigaden, diese Verdachtsmomente. Etliche Mitkämpfer hätten Simioni schon damals misstraut, auch wegen seines mondänen Lebensstils, der ihm trotz seiner Mitgliedschaft in den Roten Brigaden erlaubte, einen Mercedes zu fahren und eine Villa an der Schweizer Grenze zu besitzen.

Nach alle dem, was die Justiz in den 30 Jahren seither ermittelt hat, ist allerdings nicht auszuschließen, dass Simioni nicht nur für Interessen der CIA aktiv wurde, sondern auch Kontakte zu osteuropäischen und dem israelischen Geheimdienst hatte — Vertreter von Ländern, von denen allen ein (verdeckt zu haltendes) Interesse an der Zuspitzung der politischen Verhältnisse durch Terrorismus anzunehmen ist.

Ermittlungen haben aufgedeckt, dass Simioni in engen Kontakten mit Edgardo Sogno, zentrale Person für die Arbeit der CIA in Italien, in Kontakt stand.

Heute lebt Simioni in Frankreich, in einer Burg in der Normandie, geschützt — so Rosario Priore, Untersuchungsrichter in den ersten vier Prozessen zu Aldo Moro — vom französischen Geheimdienst, der immer dann, wenn italienische Ermittler auf den Spuren Simionis in Frankreich auftauchten, seine schützenden Hände über ihn legte.

(aus: Regine Igel, 2006: Terrorjahre)