Mammon: Unterschied zwischen den Versionen

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Das erste Bedürfnis sozialen Lebens ist die Klarheit, mit der das nationale Bewußtsein dies Gesetz einschärft: daß der behalten soll, der redlich verdient hat. Dies Gesetz ist die rechte Grundlage des Unterschieds zwischen reich und arm. Es gibt auch eine falsche Grundlage des Unterschieds; nämlich die Macht, welche auf die den Reichtum Erwerbenden ausgeübt wird von denen, die ihn bereits besitzen und nur dazu benutzen, mehr zu erwerben. Immer wird es eine Anzahl von Menschen geben, die gern den Erwerb großen Reichtums zu ihrem einzigen Lebenszweck machen würden. Mit Notwendigkeit ist diese Menschenklasse ungebildet, von untergeordnetem Verstand und mehr oder weniger feige. Einem rechtgebildeten und tapferen Mann von gesundem Geiste ist es physisch unmöglich, das Geld zum Hauptziel seiner Gedanken zu machen; ebensowenig wie er sein Mittagessen zu ihrem Hauptziel machen kann. Alle gesunden Leute machen sich etwas aus ihrem Mittagbrot; aber es ist nicht die Hauptsache in ihrem Leben. Ebenso mögen alle, die eine gesunde Gesinnung haben, gern Geld verdienen, - sollen es gern mögen und das Gefühl des Gewinnens genießen; aber die Hauptsache in ihrem Leben ist nicht das Geld, sondern etwas Besseres als Geld. Ein guter Soldat z.B. wünscht in erster Linie, gut zu kämpfen. Er freut sich über seinen Sold, - ganz mit Recht und murrt gerechterweise, wenn er ihm zehn Jahre lang vorenthalten wird, - trotzdem: sein Hauptbegriff vom Leben ist Schlachten gewinnen, nicht für ihr Gewinnen bezahlt werden. Ebenso die Pfarrer. Sie nehmen natürlich die Kirchenstuhlmiete und Taufgebühren gern ein, und doch ist, wenn sie tapfer sind und rechtgebildet, die Kirchenstuhlmiete nicht ihr einziges Ziel im Leben und die Taufgbühr nicht der Zweck der Taufe; das eigentliche Wesen ihres Berufes ist Predigen und nicht, dafür bezahlt zu werden. So auch mit den Ärzten. Sie lassen sich gern bezahlen, und das sollen sie auch; wenn sie aber tapfer und rechtgebildet sind, ist die Bezahlung nicht der ganze Zweck ihres Lebens. Sie wollen Kranke heilen und, wenn sie gute Ärzte sind und ihnen die Wahl freigestellt würde, - so würden sie lieber den Kranken heilen und ihrer Bezahlung verlustig gehen, als diese erlangen und den Kranken sterben lassen. Ebenso steht allen ändern tapfer und recht erzogenen Männern die Arbeit an erster und die Bezahlung an zweiter Stelle; sie ist immer sehr wichtig, aber doch in zweitem Grade. Aber in jedem Volk ist, wie ich sagte, eine ungeheure Klasse solcher, die schlecht erzogen, feige und mehr oder weniger dumm sind. Und diesen Leuten steht ebenso gewiß der Lohn obenan und die Arbeit in zweiter Linie, wie rechtschaffenen Menschen die Arbeit das Erste und der Lohn das Zweite ist. Das ist kein geringer Unterschied. Es handelt sich um Leben und Tod in einem Menschen, um Himmel und Hölle für ihn. Du kannst nicht zwei Herren dienen; - du mußt dem einen oder dem andern dienen. Wenn dir deine Arbeit das Erste ist und dein Lohn das Zweite, so ist die Arbeit dein Herr und der Herr aller Arbeit: Gott. Steht dir aber der Lohn obenan und die Arbeit an zweiter Stelle, so ist der Mammon dein Herr und der Herr des Mammons: der Teufel.
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{{Ruskin/Kühn
 
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|toc=John Ruskin in der Übersetzung von Maria Kühn
== Quellen ==
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|werk=The Crown of Wild Olive
 
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|jahr=1866-1869
The Crown of Wild Olive, [https://de.wikipedia.org/wiki/John_Ruskin John Ruskin], 1866-1869 (Übersetzung von Maria Kühn, 1910).
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|zurück=Hand und Kopf
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|vorwärts=Reiche und Arme
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Das erste Bedürfnis sozialen Lebens ist die Klarheit, mit der das nationale Bewußtsein dies Gesetz einschärft: daß der behalten soll, der redlich verdient hat. Dies Gesetz ist die rechte Grundlage des Unterschieds zwischen reich und arm. Es gibt auch eine falsche Grundlage des Unterschieds; nämlich die Macht, welche auf die den Reichtum Erwerbenden ausgeübt wird von denen, die ihn bereits besitzen und nur dazu benutzen, mehr zu erwerben. Immer wird es eine Anzahl von Menschen geben, die gern den Erwerb großen Reichtums zu ihrem einzigen Lebenszweck machen würden. Mit Notwendigkeit ist diese Menschenklasse ungebildet, von untergeordnetem Verstand und mehr oder weniger feige. Einem rechtgebildeten und tapferen Mann von gesundem Geiste ist es physisch unmöglich, das Geld zum Hauptziel seiner Gedanken zu machen; ebensowenig wie er sein Mittagessen zu ihrem Hauptziel machen kann. Alle gesunden Leute machen sich etwas aus ihrem Mittagbrot; aber es ist nicht die Hauptsache in ihrem Leben. Ebenso mögen alle, die eine gesunde Gesinnung haben, gern Geld verdienen, - sollen es gern mögen und das Gefühl des Gewinnens genießen; aber die Hauptsache in ihrem Leben ist nicht das Geld, sondern etwas Besseres als Geld. Ein guter Soldat z.B. wünscht in erster Linie, gut zu kämpfen. Er freut sich über seinen Sold, - ganz mit Recht und murrt gerechterweise, wenn er ihm zehn Jahre lang vorenthalten wird, - trotzdem: sein Hauptbegriff vom Leben ist Schlachten gewinnen, nicht für ihr Gewinnen bezahlt werden. Ebenso die Pfarrer. Sie nehmen natürlich die Kirchenstuhlmiete und Taufgebühren gern ein, und doch ist, wenn sie tapfer sind und rechtgebildet, die Kirchenstuhlmiete nicht ihr einziges Ziel im Leben und die Taufgebühr nicht der Zweck der Taufe; das eigentliche Wesen ihres Berufes ist Predigen und nicht, dafür bezahlt zu werden. So auch mit den Ärzten. Sie lassen sich gern bezahlen, und das sollen sie auch; wenn sie aber tapfer und rechtgebildet sind, ist die Bezahlung nicht der ganze Zweck ihres Lebens. Sie wollen Kranke heilen und, wenn sie gute Ärzte sind und ihnen die Wahl freigestellt würde, - so würden sie lieber den Kranken heilen und ihrer Bezahlung verlustig gehen, als diese erlangen und den Kranken sterben lassen. Ebenso steht allen ändern tapfer und recht erzogenen Männern die Arbeit an erster und die Bezahlung an zweiter Stelle; sie ist immer sehr wichtig, aber doch in zweitem Grade. Aber in jedem Volk ist, wie ich sagte, eine ungeheure Klasse solcher, die schlecht erzogen, feige und mehr oder weniger dumm sind. Und diesen Leuten steht ebenso gewiß der Lohn obenan und die Arbeit in zweiter Linie, wie rechtschaffenen Menschen die Arbeit das Erste und der Lohn das Zweite ist. Das ist kein geringer Unterschied. Es handelt sich um Leben und Tod in einem Menschen, um Himmel und Hölle für ihn. Du kannst nicht zwei Herren dienen; - du mußt dem einen oder dem andern dienen. Wenn dir deine Arbeit das Erste ist und dein Lohn das Zweite, so ist die Arbeit dein Herr und der Herr aller Arbeit: Gott. Steht dir aber der Lohn obenan und die Arbeit an zweiter Stelle, so ist der Mammon dein Herr und der Herr des Mammons: der Teufel.
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Aktuelle Version vom 7. Februar 2016, 20:07 Uhr


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Das erste Bedürfnis sozialen Lebens ist die Klarheit, mit der das nationale Bewußtsein dies Gesetz einschärft: daß der behalten soll, der redlich verdient hat. Dies Gesetz ist die rechte Grundlage des Unterschieds zwischen reich und arm. Es gibt auch eine falsche Grundlage des Unterschieds; nämlich die Macht, welche auf die den Reichtum Erwerbenden ausgeübt wird von denen, die ihn bereits besitzen und nur dazu benutzen, mehr zu erwerben. Immer wird es eine Anzahl von Menschen geben, die gern den Erwerb großen Reichtums zu ihrem einzigen Lebenszweck machen würden. Mit Notwendigkeit ist diese Menschenklasse ungebildet, von untergeordnetem Verstand und mehr oder weniger feige. Einem rechtgebildeten und tapferen Mann von gesundem Geiste ist es physisch unmöglich, das Geld zum Hauptziel seiner Gedanken zu machen; ebensowenig wie er sein Mittagessen zu ihrem Hauptziel machen kann. Alle gesunden Leute machen sich etwas aus ihrem Mittagbrot; aber es ist nicht die Hauptsache in ihrem Leben. Ebenso mögen alle, die eine gesunde Gesinnung haben, gern Geld verdienen, - sollen es gern mögen und das Gefühl des Gewinnens genießen; aber die Hauptsache in ihrem Leben ist nicht das Geld, sondern etwas Besseres als Geld. Ein guter Soldat z.B. wünscht in erster Linie, gut zu kämpfen. Er freut sich über seinen Sold, - ganz mit Recht und murrt gerechterweise, wenn er ihm zehn Jahre lang vorenthalten wird, - trotzdem: sein Hauptbegriff vom Leben ist Schlachten gewinnen, nicht für ihr Gewinnen bezahlt werden. Ebenso die Pfarrer. Sie nehmen natürlich die Kirchenstuhlmiete und Taufgebühren gern ein, und doch ist, wenn sie tapfer sind und rechtgebildet, die Kirchenstuhlmiete nicht ihr einziges Ziel im Leben und die Taufgebühr nicht der Zweck der Taufe; das eigentliche Wesen ihres Berufes ist Predigen und nicht, dafür bezahlt zu werden. So auch mit den Ärzten. Sie lassen sich gern bezahlen, und das sollen sie auch; wenn sie aber tapfer und rechtgebildet sind, ist die Bezahlung nicht der ganze Zweck ihres Lebens. Sie wollen Kranke heilen und, wenn sie gute Ärzte sind und ihnen die Wahl freigestellt würde, - so würden sie lieber den Kranken heilen und ihrer Bezahlung verlustig gehen, als diese erlangen und den Kranken sterben lassen. Ebenso steht allen ändern tapfer und recht erzogenen Männern die Arbeit an erster und die Bezahlung an zweiter Stelle; sie ist immer sehr wichtig, aber doch in zweitem Grade. Aber in jedem Volk ist, wie ich sagte, eine ungeheure Klasse solcher, die schlecht erzogen, feige und mehr oder weniger dumm sind. Und diesen Leuten steht ebenso gewiß der Lohn obenan und die Arbeit in zweiter Linie, wie rechtschaffenen Menschen die Arbeit das Erste und der Lohn das Zweite ist. Das ist kein geringer Unterschied. Es handelt sich um Leben und Tod in einem Menschen, um Himmel und Hölle für ihn. Du kannst nicht zwei Herren dienen; - du mußt dem einen oder dem andern dienen. Wenn dir deine Arbeit das Erste ist und dein Lohn das Zweite, so ist die Arbeit dein Herr und der Herr aller Arbeit: Gott. Steht dir aber der Lohn obenan und die Arbeit an zweiter Stelle, so ist der Mammon dein Herr und der Herr des Mammons: der Teufel.

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Quelle

The Crown of Wild Olive, John Ruskin, 1866-1869 (Übersetzung von Maria Kühn, 1910).