Wolf-Dieter Batz am 28.6.1984:Levels of Processing: Unterschied zwischen den Versionen
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Betrachtet man den Ansatz von ATKINSON & SHIFFRIN (s.o.) entsprechend dem Wunsch der Autoren als 'framework', d.h. als eine Art Setzkasten, in den experimentelle Befunde entsprechend vermuteter Beziehungen zueinander geordnet werden sollen, dann fällt zunächst auf, daß eine ganze Reihe von Kästchen leer- und einige Fragen offengeblieben sind: | |||
#Nach A & S scheint das alleinige Ziel eintreffender Informationen der Langzeitspeicher zu sein. Daß nicht alles dort hineingelangt, wird mit der relativ niedrigen Kapazität des Kurzzeitspeichers erklärt. | |||
#Die Natur des Rehearsal als besonderem Charakteristikum des KZS verbleibt weitgehend unklar. Das hat zur Folge, daß es als Explanans der Transportvorgänge zwischen KZS und LZS nicht ausreicht. | |||
#Ebenso ungeklärt bleibt der Unterschied in den Modalitäten von SReg und KZS. Mit einem simplen Fluß der Informationen ist dies nicht zu erklären. | |||
#Überhaupt scheint der KZS eine Sonderstellung innezuhaben, betrachtet man seine fast lächerlich niedrige Kapazität und seine äußerst variable Haltezeit. | |||
Es muß daher die Frage gestellt werden, ob es denn überhaupt sinnvoll ist, den KZS als Speicher zu verstehen, dessen einzige Aufgabe es ist, die Information so lange zu halten, bis sie der LZS 'abgeschrieben' hat. | |||
Im Falle einer Verneinung muß entschieden werden, ob der Setzkasten von A & S derart umgebaut werden kann, daß dieser modifizierte KZ'S' noch Platz findet, oder ob es eines neuen Frameworks bedarf. | |||
Nach Fergus I.M. CRAIK und Robert S. LOCKHART<ref>Craik,F.I.M. & Lockhart,R.S. (1972): Levels of processing: A framework for memory research.</ref> ist dem Mehrspeicheransatz hinsichtlich dreier Aspekte mit einiger Vorsicht zu begegnen: | |||
Kapazität | |||
Besonders bezüglich des KZS ist die Natur der Kapazitätsbegrenzung recht schleierhaft. Wird das Rehearsal als Prozess begriffen, dann ist z.B. unklar, ob die Begrenzung für den KZS, das Rehearsal oder eine bestimmte Kombination von beidem gilt. | |||
Versuche, die Spanne (memory-span) des KZS zu messen, beziehen sich mehr auf den Speicher- als auf den Prozeßaspekt. Das mag an den Problemen bei der Beobachtung von Prozessen liegen, braucht also nicht als absichtliche Reduktion des KZS auf diesen Aspekt verstanden zu werden. | |||
Je nach zu erinnerndem Material wird die Speicher-Kapazität des KZS mit fünf bis neun Items angegeben. Die zuverlässigsten Ergebnisse liegen natürlich bei Versuchen mit sinnlosen Silben<ref>vgl. Kap.2: 'Wieviel?'</ref> vor. Mit den Gelegenheiten einer Organisation des Materials steigt die beobachtbare Kapazität mitunter erheblich: Jüngere Pbn beispielsweise können Sätze mit bis zu 20 Wörtern wiedergeben. | |||
Erklärbar wird diese Variation durch die Annahme sogenannter 'Chunks'. Ein Chunk stellt eine Verknüpfung von Items dar, die sich aufgrund von deren Bedeutung ergibt. Da die Bedeutung von Items sowohl inter- wie auch intraindividuell variiert, ist die Modalität der Verknüpfungen und so auch die Gestalt des Chunks völlig unbestimmt. | |||
Festzuhalten bleibt, daß die Kapazität des KZS etwa sieben solcher organisierter Einheiten beträgt. | |||
Durch das Konstrukt der Chunks ist einerseits das Problem variierender Kapazität des KZS gelöst, andererseits wird dadurch die Frage nach dem steuernden Prozess des 'Chunking' gestellt. Rehearsal allein kommt dafür nicht in Frage, da Chunking eine Vorabevaluation oder Analyse des Reizes voraussetzt. | |||
Modalität | |||
Neben den Dimensionen Haltezeit und Kapazität besteht ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen den einzelnen Speichern im Mehrspeicheransatz in der Modalität. So soll das SReg visuell, eventuell auch auditiv, aber keinesfalls semantisch kodieren können. Der KZS soll nur visueller und auditiv-verbal-linguistischer Information Platz bieten. Der LZS schließlich kann jede Modalität bei der Speicherung von Information benutzen. | |||
C & L vertreten die Ansicht, daß Unterschiede in den Modalitäten der einzelnen Speicher lediglich die Unterschiede zwischen verwendeten Paradigmen abbilden, es sich also um Artefakte handle. | |||
Vergessen | |||
Das wichtigste Kriterium zur Unterscheidung der drei Speicher SReg, KZS und LZS ist selbstverständlich die Haltezeit, und entsprechend sollte es sich als das stabilste erweisen. | |||
Vergleicht man die Haltezeiten des KZS im PAL mit denen im FR oder cR, dann schneidet das PAL wesentlich besser ab. | |||
Im SReg soll die Haltezeit im Bereich von Millisekunden liegen, wobei der Inhalt des SReg auch über die Präzision der Repräsentation definiert ist. Bezieht man mit ein, daß Information aus verschiedenen Modalitäten auch nach langer Zeit noch äußerst präzis reproduziert werden können, erscheint eine Trennung von SReg und z.B. bildhaftem Gedächtnis aufgrund der Haltezeit zumindest fragwürdig. | |||
Nachdem C & L gewissermaßen im Handstreich die Stützen des Mehrspeicheransatzes ins Wanken gebracht haben, gehen sie an die Formulierung eines eigenen "alternative framework for human memory research"<ref>a.a.O.</ref> heran. Der wichtigste Unterschied um Mehrspeicheransatz liegt in der Betonung der Prozesse, die zur Bildung permanenter Spuren führen, während diese lediglich als Nebenprodukt verstanden werden. | |||
Ähnlich der von mir benutzten Trennung von Wahrnehmung und Gedächtnis<ref>vgl. Kap.1: 'Wahrnehmung & Gedächtnis'</ref> verstehen C & L alles, was der endgültigen Speicherung vorausgeht, als Wahrnehmungsprozesse: Ankommende Information wird einer schnellen Analyse unterzogen, die sich entlang eines Kontinuums von einfachen physikalisch/sensorischen Attributen (Helligkeit, Lautstärke, Tonhöhe, etc.) bis zur Abstraktion von Mustern und der Extraktion von Bedeutung entwickelt. Diesen hierarchisch geordneten Analyseprozess versehen sie mit dem Etikett 'Levels of Processing', obwohl die Ebenen nicht als diskrete Prozesse, sondern als Querschnitte eines einzigen Wahrnehmungsprozesses betrachtet werden sollen. | |||
Nachdem die Information durch diesen Prozess auf ihren Nachricht-Aspekt<ref>vgl. 'Überblick' in diesem Kapitel</ref> reduziert worden ist, kann sie mit Informationen aus dem Gedächtnis angereichert werden. | |||
Da SReg und KZS nicht mehr vorhanden sind, bedarf es einer neuen Erklärung für den Kapazitäts-Engpass bei mittleren Haltezeiten. | |||
C & L nehmen dafür eine CPU<ref>CPU: central processing unit</ref> mit begrenzter Kapazität an, die in jeder Modalität und auf jeder Elaborationsebene arbeitet. Wird die Verarbeitungskapazität dieser CPU benutzt, Information zu halten, d.h. wird immer wieder der Identitäts-Operator angewendet, dann ergibt sich das Bild eines Speichers mittlerer Haltezeit mit begrenzter Kapazität. | |||
Auch zur Klärung anderer Fragen leistet die Annahme einer CPU gute Dienste: | |||
#Da der Prozessor in jeder Modalität arbeiten kann, ist die Frage der Modalität bei mittleren Haltezeiten irrelevant. Die Modalität ist darüberhinaus unabhängig von der des aufnehmenden sensorischen Systems. | |||
#Die Variationen der beobachteten Kapazität sind ein Effekt der bereits stattgefundenen Verarbeitungsschritte. Das Chunking wird mit zunehmender Analyse der beteiligten Items erleichtert, sofern diese zu brauchbaren Verknüpfungsmöglichkeiten derselben untereinander führt. | |||
Da nicht geleugnet werden kann, daß bei diesen Prozessen irgendwo auch Information gespeichert werden muß, benutzen C & L den Term 'Primary Memory' (PM) für den Speicher, in dem sich die Information währenddessen bewegt. Dabei betonen sie aber, daß die Information einem ständigen Wandel unterliegt, es sei denn, sie wird durch den Identitätsoperator auf einer bestimmten Stufe festgehalten. | |||
Vor diesem Hintergrund unterscheiden C & L zwei Modi in der Arbeitsweise der CPU: | |||
#Type I entspricht dem ständigen Anwenden des Identitätsoperators, was eine anderweitige Verarbeitung verhindert. Dies ist C & L zufolge mit fogenden Wendungen synonym: 'Die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Items richten', 'im Bewußtsein halten', 'im Rehearsal Puffer halten', usw. | |||
#Type II steht für den normalen Ablauf der Wahrnehmungsprozesse, die zum Ziel haben, schnellstmöglich die Bedeutung ankommender Informationen herauszufinden. | |||
Unter der Prämisse, daß die Tiefe der Analyse für die Stärke der Gedächtnisspur ausschlaggebend sei, erwachsen aus dieser Unterscheidung neue Aspekte für die bisherigen Untersuchungen von KZS und LZS, denn: | |||
#wird die CPU als KZS benutzt (Rehearsal), dann wird die Bildung dauerhafter Spuren verhindert, weil die CPU im Type-I-Modus arbeitet; | |||
#wird die CPU mit neuen Items beschäftigt (Rückwärtszählen), dann verschwinden die vorherigen Items entsprechend den bereits erreichten Verarbeitungsniveaus. | |||
Die empirisch begründete Trennung mehrerer Speicher ist so als Artefakt der verwendeten Paradigmen anzusehen. Das Problem besteht darin, daß die CPU durch die Paradigmen faktisch dazu gebracht wird, sich als Speicher für unbearbeitete Information, d.h. als KZS zu verhalten, der KZS also eine 'self-fullfilling prophecy' darstellt. | |||
| permanentes | max. Verar- | Assoziationen | Digital- | | |||
| (Langzeit-) | beitungstiefe | durch Ähnlich- | Technik | | |||
| Gedächtnis | ====> | keit nach sem. | (CPU) | | |||
| >>Engramme<< | Stärke der | Analyse durch | | | |||
| | Assoziationen | flexible CPU | | | |||
Das Framework von CRAIK & LOCKHART besitzt gegenüber dem Mehrspeicheransatz von ATKINSON & SHIFFRIN einige markante Vorzüge: | |||
#ein relativ genau beschriebener hypothetischer Mechanismus trägt wesentlich zur Plausibilität bei; | |||
#die klare Trennung von Wahrnehmungsprozessen und Gedächtnis; | |||
#einen plausiblen Erklärungsansatz für die Bildung überdauernder Speicherinhalte. | |||
Für einen empirischen Psychologen hingegen ist allein die Operationalisierbarkeit der verwendeten Konstrukte von Belang. | |||
Wie oben beschrieben, ist es die postulierte Flexibilität der CPU, die diese einer empirischen Prüfung entzieht. Da die CPU beispielsweise als Speicher in mehreren Modalitäten arbeiten kann, wird eine Formulierung von zu erwartenden Ergebnissen experimenteller Manipulationen erschwert. | |||
Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Korrelation von Verarbeitungstiefe und Behaltensleistung. Eine getrennte Bestimmung dieser beiden ist unmöglich: Das Behalten ist eine positive Funktion der Tiefe. Da die Tiefe als unabhängig von der Zeit und abhängig vom Vorwissen der Pbn angenommen wird, ist experimentelle Manipulation der Behaltensleistung von dieser Seite her ausgeschlossen. | |||
Für die Untersuchung permanenten Gedächtnisses nun bietet dieser Ansatz nichts neues. | |||
Die Verbindung von Items durch Assoziationen, die sich auf verschiedene Aspekte der Items stützen, ist quasi ein 'alter Hut'<ref>vgl. Kap.2: 'Wie?'</ref>. Gleiches gilt für die Idee, neues Material werde entsprechend, durch kognitiv/semantische Analyse gewonnenen, vertrauten Einzelheiten mit den bereits gespeicherten Gedächtnisinhalten assoziiert. | |||
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Aktuelle Version vom 23. September 2025, 14:10 Uhr

Wolf-Dieter Batz: „Zur Modellbildung in der Gedächtnisforschung“ |
- Levels of Processing
Betrachtet man den Ansatz von ATKINSON & SHIFFRIN (s.o.) entsprechend dem Wunsch der Autoren als 'framework', d.h. als eine Art Setzkasten, in den experimentelle Befunde entsprechend vermuteter Beziehungen zueinander geordnet werden sollen, dann fällt zunächst auf, daß eine ganze Reihe von Kästchen leer- und einige Fragen offengeblieben sind:
- Nach A & S scheint das alleinige Ziel eintreffender Informationen der Langzeitspeicher zu sein. Daß nicht alles dort hineingelangt, wird mit der relativ niedrigen Kapazität des Kurzzeitspeichers erklärt.
- Die Natur des Rehearsal als besonderem Charakteristikum des KZS verbleibt weitgehend unklar. Das hat zur Folge, daß es als Explanans der Transportvorgänge zwischen KZS und LZS nicht ausreicht.
- Ebenso ungeklärt bleibt der Unterschied in den Modalitäten von SReg und KZS. Mit einem simplen Fluß der Informationen ist dies nicht zu erklären.
- Überhaupt scheint der KZS eine Sonderstellung innezuhaben, betrachtet man seine fast lächerlich niedrige Kapazität und seine äußerst variable Haltezeit.
Es muß daher die Frage gestellt werden, ob es denn überhaupt sinnvoll ist, den KZS als Speicher zu verstehen, dessen einzige Aufgabe es ist, die Information so lange zu halten, bis sie der LZS 'abgeschrieben' hat.
Im Falle einer Verneinung muß entschieden werden, ob der Setzkasten von A & S derart umgebaut werden kann, daß dieser modifizierte KZ'S' noch Platz findet, oder ob es eines neuen Frameworks bedarf.
Nach Fergus I.M. CRAIK und Robert S. LOCKHART[1] ist dem Mehrspeicheransatz hinsichtlich dreier Aspekte mit einiger Vorsicht zu begegnen:
Kapazität
Besonders bezüglich des KZS ist die Natur der Kapazitätsbegrenzung recht schleierhaft. Wird das Rehearsal als Prozess begriffen, dann ist z.B. unklar, ob die Begrenzung für den KZS, das Rehearsal oder eine bestimmte Kombination von beidem gilt.
Versuche, die Spanne (memory-span) des KZS zu messen, beziehen sich mehr auf den Speicher- als auf den Prozeßaspekt. Das mag an den Problemen bei der Beobachtung von Prozessen liegen, braucht also nicht als absichtliche Reduktion des KZS auf diesen Aspekt verstanden zu werden.
Je nach zu erinnerndem Material wird die Speicher-Kapazität des KZS mit fünf bis neun Items angegeben. Die zuverlässigsten Ergebnisse liegen natürlich bei Versuchen mit sinnlosen Silben[2] vor. Mit den Gelegenheiten einer Organisation des Materials steigt die beobachtbare Kapazität mitunter erheblich: Jüngere Pbn beispielsweise können Sätze mit bis zu 20 Wörtern wiedergeben.
Erklärbar wird diese Variation durch die Annahme sogenannter 'Chunks'. Ein Chunk stellt eine Verknüpfung von Items dar, die sich aufgrund von deren Bedeutung ergibt. Da die Bedeutung von Items sowohl inter- wie auch intraindividuell variiert, ist die Modalität der Verknüpfungen und so auch die Gestalt des Chunks völlig unbestimmt.
Festzuhalten bleibt, daß die Kapazität des KZS etwa sieben solcher organisierter Einheiten beträgt.
Durch das Konstrukt der Chunks ist einerseits das Problem variierender Kapazität des KZS gelöst, andererseits wird dadurch die Frage nach dem steuernden Prozess des 'Chunking' gestellt. Rehearsal allein kommt dafür nicht in Frage, da Chunking eine Vorabevaluation oder Analyse des Reizes voraussetzt.
Modalität
Neben den Dimensionen Haltezeit und Kapazität besteht ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen den einzelnen Speichern im Mehrspeicheransatz in der Modalität. So soll das SReg visuell, eventuell auch auditiv, aber keinesfalls semantisch kodieren können. Der KZS soll nur visueller und auditiv-verbal-linguistischer Information Platz bieten. Der LZS schließlich kann jede Modalität bei der Speicherung von Information benutzen.
C & L vertreten die Ansicht, daß Unterschiede in den Modalitäten der einzelnen Speicher lediglich die Unterschiede zwischen verwendeten Paradigmen abbilden, es sich also um Artefakte handle.
Vergessen
Das wichtigste Kriterium zur Unterscheidung der drei Speicher SReg, KZS und LZS ist selbstverständlich die Haltezeit, und entsprechend sollte es sich als das stabilste erweisen.
Vergleicht man die Haltezeiten des KZS im PAL mit denen im FR oder cR, dann schneidet das PAL wesentlich besser ab.
Im SReg soll die Haltezeit im Bereich von Millisekunden liegen, wobei der Inhalt des SReg auch über die Präzision der Repräsentation definiert ist. Bezieht man mit ein, daß Information aus verschiedenen Modalitäten auch nach langer Zeit noch äußerst präzis reproduziert werden können, erscheint eine Trennung von SReg und z.B. bildhaftem Gedächtnis aufgrund der Haltezeit zumindest fragwürdig.
Nachdem C & L gewissermaßen im Handstreich die Stützen des Mehrspeicheransatzes ins Wanken gebracht haben, gehen sie an die Formulierung eines eigenen "alternative framework for human memory research"[3] heran. Der wichtigste Unterschied um Mehrspeicheransatz liegt in der Betonung der Prozesse, die zur Bildung permanenter Spuren führen, während diese lediglich als Nebenprodukt verstanden werden.
Ähnlich der von mir benutzten Trennung von Wahrnehmung und Gedächtnis[4] verstehen C & L alles, was der endgültigen Speicherung vorausgeht, als Wahrnehmungsprozesse: Ankommende Information wird einer schnellen Analyse unterzogen, die sich entlang eines Kontinuums von einfachen physikalisch/sensorischen Attributen (Helligkeit, Lautstärke, Tonhöhe, etc.) bis zur Abstraktion von Mustern und der Extraktion von Bedeutung entwickelt. Diesen hierarchisch geordneten Analyseprozess versehen sie mit dem Etikett 'Levels of Processing', obwohl die Ebenen nicht als diskrete Prozesse, sondern als Querschnitte eines einzigen Wahrnehmungsprozesses betrachtet werden sollen.
Nachdem die Information durch diesen Prozess auf ihren Nachricht-Aspekt[5] reduziert worden ist, kann sie mit Informationen aus dem Gedächtnis angereichert werden.
Da SReg und KZS nicht mehr vorhanden sind, bedarf es einer neuen Erklärung für den Kapazitäts-Engpass bei mittleren Haltezeiten.
C & L nehmen dafür eine CPU[6] mit begrenzter Kapazität an, die in jeder Modalität und auf jeder Elaborationsebene arbeitet. Wird die Verarbeitungskapazität dieser CPU benutzt, Information zu halten, d.h. wird immer wieder der Identitäts-Operator angewendet, dann ergibt sich das Bild eines Speichers mittlerer Haltezeit mit begrenzter Kapazität.
Auch zur Klärung anderer Fragen leistet die Annahme einer CPU gute Dienste:
- Da der Prozessor in jeder Modalität arbeiten kann, ist die Frage der Modalität bei mittleren Haltezeiten irrelevant. Die Modalität ist darüberhinaus unabhängig von der des aufnehmenden sensorischen Systems.
- Die Variationen der beobachteten Kapazität sind ein Effekt der bereits stattgefundenen Verarbeitungsschritte. Das Chunking wird mit zunehmender Analyse der beteiligten Items erleichtert, sofern diese zu brauchbaren Verknüpfungsmöglichkeiten derselben untereinander führt.
Da nicht geleugnet werden kann, daß bei diesen Prozessen irgendwo auch Information gespeichert werden muß, benutzen C & L den Term 'Primary Memory' (PM) für den Speicher, in dem sich die Information währenddessen bewegt. Dabei betonen sie aber, daß die Information einem ständigen Wandel unterliegt, es sei denn, sie wird durch den Identitätsoperator auf einer bestimmten Stufe festgehalten.
Vor diesem Hintergrund unterscheiden C & L zwei Modi in der Arbeitsweise der CPU:
- Type I entspricht dem ständigen Anwenden des Identitätsoperators, was eine anderweitige Verarbeitung verhindert. Dies ist C & L zufolge mit fogenden Wendungen synonym: 'Die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Items richten', 'im Bewußtsein halten', 'im Rehearsal Puffer halten', usw.
- Type II steht für den normalen Ablauf der Wahrnehmungsprozesse, die zum Ziel haben, schnellstmöglich die Bedeutung ankommender Informationen herauszufinden.
Unter der Prämisse, daß die Tiefe der Analyse für die Stärke der Gedächtnisspur ausschlaggebend sei, erwachsen aus dieser Unterscheidung neue Aspekte für die bisherigen Untersuchungen von KZS und LZS, denn:
- wird die CPU als KZS benutzt (Rehearsal), dann wird die Bildung dauerhafter Spuren verhindert, weil die CPU im Type-I-Modus arbeitet;
- wird die CPU mit neuen Items beschäftigt (Rückwärtszählen), dann verschwinden die vorherigen Items entsprechend den bereits erreichten Verarbeitungsniveaus.
Die empirisch begründete Trennung mehrerer Speicher ist so als Artefakt der verwendeten Paradigmen anzusehen. Das Problem besteht darin, daß die CPU durch die Paradigmen faktisch dazu gebracht wird, sich als Speicher für unbearbeitete Information, d.h. als KZS zu verhalten, der KZS also eine 'self-fullfilling prophecy' darstellt.
| permanentes | max. Verar- | Assoziationen | Digital- | | (Langzeit-) | beitungstiefe | durch Ähnlich- | Technik | | Gedächtnis | ====> | keit nach sem. | (CPU) | | >>Engramme<< | Stärke der | Analyse durch | | | | Assoziationen | flexible CPU | |
Das Framework von CRAIK & LOCKHART besitzt gegenüber dem Mehrspeicheransatz von ATKINSON & SHIFFRIN einige markante Vorzüge:
- ein relativ genau beschriebener hypothetischer Mechanismus trägt wesentlich zur Plausibilität bei;
- die klare Trennung von Wahrnehmungsprozessen und Gedächtnis;
- einen plausiblen Erklärungsansatz für die Bildung überdauernder Speicherinhalte.
Für einen empirischen Psychologen hingegen ist allein die Operationalisierbarkeit der verwendeten Konstrukte von Belang.
Wie oben beschrieben, ist es die postulierte Flexibilität der CPU, die diese einer empirischen Prüfung entzieht. Da die CPU beispielsweise als Speicher in mehreren Modalitäten arbeiten kann, wird eine Formulierung von zu erwartenden Ergebnissen experimenteller Manipulationen erschwert.
Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Korrelation von Verarbeitungstiefe und Behaltensleistung. Eine getrennte Bestimmung dieser beiden ist unmöglich: Das Behalten ist eine positive Funktion der Tiefe. Da die Tiefe als unabhängig von der Zeit und abhängig vom Vorwissen der Pbn angenommen wird, ist experimentelle Manipulation der Behaltensleistung von dieser Seite her ausgeschlossen.
Für die Untersuchung permanenten Gedächtnisses nun bietet dieser Ansatz nichts neues.
Die Verbindung von Items durch Assoziationen, die sich auf verschiedene Aspekte der Items stützen, ist quasi ein 'alter Hut'[7]. Gleiches gilt für die Idee, neues Material werde entsprechend, durch kognitiv/semantische Analyse gewonnenen, vertrauten Einzelheiten mit den bereits gespeicherten Gedächtnisinhalten assoziiert.
Diplomarbeit "Zur Modellbildung in der Gedächtnisforschung" bei Dr. A.Metraux, Prof. HJ Ahrens und Prof. M.Zimmermann