Mario Moretti

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Mario Moretti, geboren 1946 bei Ascoli Piceno.

Biografie

Moretti stellt sich gern als Kind von Arbeitern und Kommunisten dar, dessen familiäre Herkunft ihn logisch in den Linksterrorismus führte. Doch die ermittelte Logik ist eine andere. Die Eltern in der Kleinstadt bei Ascoli Piceno waren apolitisch, rechtschaffende Katholiken, der Vater im Viehhandel tätig, die Mutter Musiklehrerin. Nach dem Fachabitur in Fernmeldetechnik arbeitet er in der Mailänder Fabrik Sit-Siemens und studiert ein Jahr an der Universität Volkswirtschaft. Seine damaligen Studienkollegen erinnern sich an ihn als neofaschistischen Ideen zugeneigt. Über seine Verlobte trifft er auf Luigi Cavallo, der nach dem Krieg für einige Jahre in der Redaktion des Zentralorgans der PCI, "Uniti", arbeitet. Dort als Agent bloßgestellt, geht er für einige Jahre in die USA. Als er 1954 zurückkommt, gründet er die antikommunistische Organisation "Pace e libert", die von der CIA finanziert wird. Es wird angenommen, dass über diesen Kontakt aus dem neofaschistischen Kreisen nahe stehenden Mario Moretti ein "Linksextremer" wird, der im Lande Unruhe zu stiften hat.

Nach den Erinnerungen Alberto Franceschinis taucht Moretti 1969 als ein Mann Corrado Simionis im Collettivo Politico Metropolitano in Mailand auf. Dort steigt er allerdings bald von links als Supermilitanter aus, um sich — nach seiner eigenen Legende — mit südamerikanischen Exilanten zusammenzutun. Gesicherter ist, dass er von da an — nach außen verdeckt — im Untergrund der Roten Brigaden beziehungsweise des Superclans, also der Gruppe gewalttätigerer Rotbrigadisten um Corrado Simioni, tätig war. Im Untergrund heißt, dass selbst Rotbrigadisten über ihn keine Informationen hatten.

Den Roten Brigaden nähert er sich im Frühjahr 1971, nachdem die ersten demonstrativen Aktionen wie Inbrandsetzungen von Managerautos oder Fabriklastwagen begonnen hatten.

Späteren Aussagen von ehemaligen Rotbrigadisten zufolge wird Moretti ab 1974 in den Roten Brigaden selbst immer wieder verdächtigt, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, da er die Verhaftung Curcios und Franceschinis habe verhindern können. Zwischen 1975 und 1976 werden alle Rotbrigadisten der ersten Stunde verhaftet, außer Moretti. Auch im Herbst 1978, als General dalla Chiesa das Versteck Aldo Moros in der Via Monte Nevoso aushebt, kann er entkommen.

Alberto Franceschini: "Schon 1975 sagten einige, dass er ein Agent sei. Es fand zu dem Verdacht sogar eine Art Vernehmung mit ihm statt. Es waren ja praktisch alle Rotbrigadisten der ersten Stunde verhaftet, nur er war geblieben. Alle Jüngeren traten später ein. Tatsache ist, dass einer, der übrig bleibt in einer clandestinen Organisation, zum Mythos wird, er hat schließlich alle Informationen. Morucci (bei der Entführung Moro dabei und ebenfalls verdächtigt, ein Agent zu sein — R.I.) und all die anderen traten erst 1976 der Organisation bei. 1976/77 wurde die Organisation komplett erneuert."

Er steht in engem Kontakt mit dem Superclan und der Sprachenschule Hyperion in Paris, die als eine Zentrale der CIA für den Linksterrorismus in Europa gilt (siehe unten). In der Entführung Moro spielt Moretti die wichtigste, bis heute aber die undurchsichtigste Rolle, die den Verdacht immer mehr erhärtet hat, dass er im Interesse anderer tätig ist.

Obwohl Moretti den Behörden als "äußerst gefährlich" bekannt ist, erscheint er absurderweise während der 55 Tage der Entführung Moros nicht auf der langen Liste der gesuchten Rotbrigadisten. Das ändert sich später, und Widersprüche im Staatsapparat führen dazu, dass er 1981 in Pavia verhaftet wird. Für diese außerordentliche Tatsache unterbricht das staatliche Fernsehen sein Programm. Alles deutet darauf hin, dass diese Verhaftung nicht im Sinne der Geheimstrategen war. Obwohl für die Nation ein großes Ereignis, wird der die Verhaftung leitende Polizeikommissar anschließend nicht etwa befördert oder wegen seiner Tat ausgezeichnet. Im Gegenteil, seine Karriere findet ein abruptes Ende.

Bald nach der Inhaftierung Morettis erfährt man von vereitelten Fluchtplänen, die er zusammen mit anderen Rotbrigadisten, darunter auch dem als Agent Provocateur verdächtigen Giovanni Senzani, geschmiedet habe.

1990 sagt Exbrigadist Michele Galati aus, dass Moretti unmittelbar nach seiner Festnahme von seinen Genossen im Gefängnis beschuldigt wurde, ein Mann der Geheimdienste zu sein, konkret kommt sogar der Verdacht auf, er habe für den KGB gearbeitet.

1993, nach nur zwölf Jahren Haft, obwohl sechsmal zu "lebenslänglich" verurteilt, wird Moretti Freigänger des Gefängnisses Opera in Mailand.

Rechtsanwalt Marzzita, der die Familie Moro vertritt, kommentiert am 31. Januar 1993 in "La Stampa": "Moretti und andere ehemalige Rotbrigadisten (...) verkaufen ihr Schweigen an den Staat, an die politische Klasse, die Moro hat umbringen lassen. Moretti und die anderen ehemaligen Brigadisten decken Politiker und haben sich ihre Freiheit durch ihr Schweigen erhandelt."

(aus: Regine Igel, 2006: Terrorjahre)