Geschichte der Orgel von St. Cäcilia in Mühlhausen

Aus phenixxenia.org
Version vom 4. Januar 2022, 10:35 Uhr von Wolf-Dieter Batz (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen


„Das Instrument des Jahres 2021“ bereichert Gottesdienste und Konzerte
Geschichte der Orgel von St. Cäcilia in Mühlhausen
Erste Erwähnung 1496

Mühlhausen im Kraichgau – rka – Die Orgel war das Instrument des Jahres 2021. Ihre Klänge bereichern Gottesdienste und Konzerte. Doch auch in Romanen und Gedichten spielt die „Königin der Instrumente“ eine klangvolle Rolle. Dichterinnen und Dichter ziehen dafür ihre lyrischen und dramatischen Register. Bei der Orgel sind viele Künste am Werk: Traditionelles Handwerk für die Pfeifen aus Holz und Metall, Hightech für die Elektrik. Nicht zu vergessen die Architektur des „Prospekts“, die Schauseite des Instruments. Im Mittelpunkt steht freilich die musikalische Kunst des Spielens und Improvisierens. Als „Instrument des Jahres 2021“ genießt die Orgel in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit, was auch etwas Licht in das Gewirr von Pfeifen, Registern, Trakturen und Blasebälgen bringen könnte. Bereits in der kleinen, gotischen, nach Osten ausgerichteten Kirche von Mühlhausen stand im 15. Jahrhundert im Kirchenschiff eine bescheidene Orgel. Eine Empore wie heute kannte man damals noch nicht. So berichten das „Wormser Synodale“ von 1496, eine Auflistung des Mühlhausener Kirchenbesitzes, wie auch das „Rotenberger Amtslagerbuch“ von 1559 übereinstimmend: „Die Orgel, die Turmuhr, die Glocken und die Glockenseile gehören der Gemeinde.“ Patronin der Pfarrkirche war damals die heilige Maria Magdalena.

In den Kirchenbüchern des 17. Jahrhunderts finden sich immer wieder Auflistungen der Honorare für Organisten, Chorsänger und Blasebalgtreter. Um nach barockem Empfinden dem Gottesdienst noch mehr Feierlichkeit zu verleihen, wurden zusätzliche zwei Trompeten für sechs Gulden gekauft, sehr zum Ärger der Kirchenbehörde, die dies als Geldverschwendung anprangerte: „Sollen die unnöthigen Ausgaben für Trompeten und sonstige musicalische spiel by Straf Vermieden werden.“ Nach dem Kirchenbau von 1805, bei dem die Kirche abgerissen und um 90 Grad gedreht wurde und über dem Ausgang eine Empore erhielt, wurde in der Gemeinde schnell der Wunsch nach einer neuen, größeren Orgel laut. Um sie trotz hoher Verschuldung finanzieren zu können, verpachtete die Gemeinde, die damals für die Orgel zuständig war, im Jahre 1808 ihr Weideland im „Unteren Bruch“, dazu die Gemeindeschäferei, sodass jedes Jahr für die neue Orgel 368 Gulden und 15 Kreuzer zur Verfügung standen. Die neue Orgel, gefertigt in der Werkstatt des Orgelbauers Krüger in Tauberbischofsheim, verfügte über 15 Register verteilt auf zwei Manuale und Pedal.

Nach über 80-jährigem Dienst dieser Orgel sprach der Orgelinspektor ein vernichtendes Urteil: „Die Orgel der katholischen Pfarrkirche in Mühlhausen befindet sich in einem höchst kläglichen Zustand. Sie kann, weil Störungen des Gottesdienstes zu befürchten sind, nicht länger belassen werden. Außerdem seien die Holzpfeifen „verwurmt“ und die Zinnpfeifen aus schlechtem Material. In der Zwischenzeit – man schrieb das Jahr 1891 – war nicht mehr die politische Gemeinde, sondern die Kirchengemeinde für den Erwerb und den Unterhalt der Orgel zuständig. Deshalb gab der damalige Pfarrer Josef Isenmann die neue Orgel bei der Großherzoglichen Orgelbauwerkstätte Heinrich Voit & Söhne, eine der führenden deutschen Orgelbaufirmen im Auftrag. Die Orgel, die 18 klingende Register verteilt auf zwei Manuale und Pedal zählte, kostete 6550 Mark. Mit einem rein mechanischen Orgelwerk war sie ein Versuchsmodell und wurde in Fachkreisen als „Siegellackorgel“ bekannt. In der Tonqualität zwar ausgezeichnet und viel besser als andere Orgeln, litt sie wegen der hölzernen Mechanik sehr stark unter den Witterungseinflüssen von Feuchtigkeit und Trockenheit, Wärme und Kälte, sodass die Töne oft „hängen blieben“.

Ein Meilenstein in der Entwicklung der Mühlhausener Kirchenmusik bildete die Erweiterung der Orgel im Jahre 1937. Dieses Vorhaben ist der Initiative von Pfarrer Georg Sommer und dem Organisten und Chorleiter Julius Ritzi zu verdanken, denen die Kirchenmusik sehr am Herzen lag. Die Orgelbaufirma Carl Heß in Durlach, Nachfolger von Voit, schuf auf der Grundlage der Voit- Orgel ein gewaltiges Werk mit 28 klingenden Registern, Crescendo- und Schwellwerk sowie einer freien Kombination. Die Ventile wurden nicht mehr mechanisch, sondern durch einen elektrischen Impuls bewegt. Die feierliche Orgelweihe fand am 26. September 1937 statt. Nach der Erweiterung und Modernisierung der Pfarrkirche im Jahre 1951/52 kamen wegen der Größe der Kirche drei weitere Register hinzu. Gleichzeitig wurden das Orgelgehäuse und der Prospekt mit Zinkpfeifen neu gestaltet.

Im Jahre 1983, pünktlich zur 1200-Jahrfeier der Gemeinde, schloss sich der Kreis, der 1891 begonnen hatte: Die alte Voit-Orgel feierte Auferstehung in neuem Gewand. Das Fundament der neuen Orgel bildeten die erhaltenen Voit-Pfeifen. Der Erzbischöfliche Orgelinspektor Pater Albert Hohn OSB vom Stift Neuburg plante die Neugestaltung und erstellte die Disposition genau nach den Plänen von Heinrich Voit aus dem Jahre 1891, die in den Pfarrakten aufbewahrt waren. So handelt es sich bei der neuen Orgel, einem Meisterwerk aus der Orgelbaustätte Peter Vier in Friesenheim-Oberweier um ein modern-historisches Werk mit manueller Traktur, dessen Klangmischung als vorbildlich bezeichnet werden darf.

Auch heute noch gilt, was der große Barockmeister Johann Sebastian Bach in seinem „Orgel-Büchlein“ über das Instrument des Jahres 2021 schreibt: „Dem Höchsten, Gott allein, zu Ehren, dem Nächsten, draus sich zu belehren.“ Der ehemalige Präsident des Deutschen Fußballbunds, Egidius Braun, formulierte es so: „Die Orgel ist ein wunderbarer, sehr menschlicher und damit nicht wegzudenkender Träger der christlichen Botschaft.“ Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, selbst Organist, schreibt: „Bei aller beruflich verursachten hektischen Betriebsamkeit ist für mich das Orgelspielen oft eine Quelle der Erfrischung von Geist und Gemüt.“

Der Autor

Rudi Kramer
Geiersbergstraße 7
69242 Mühlhausen