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Die vielfach unterschätzte, wenn nicht sogar ignorierte Rolle der Europäischen Union bei der Einkreisung Russlands begann spätestens im Jahr 2008. Nur ein Jahr nach dem EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien trafen sich die europäischen Außenminister am 28. Mai 2008 und setzten den vom Schweden Carl Bildt und dem Polen Radosław Sikorski ausgeheckten Plan zur fortgesetzten Osterweitung auf Schiene. Mit der sogenannten „Östlichen Partnerschaft“ sollten sechs ex-sowjetische Republiken ökonomisch und militärisch an die Brüsseler Union angebunden werden, ohne ihnen eine direkte Mitgliedschaft anzubieten. Dafür auserkoren waren Georgien, Moldawien, Armenien, Aserbaidschan, Belarus und die Ukraine. De facto war dies ein militärisch abzusicherndes Freihandelsangebot, um die sechs Staaten aus dem russischen Einfluss herauszulösen und sie für westeuropäisches Kapital zu öffnen. Die entsprechenden Schlagworte lauteten: institution building, energy security und economic integration. Auf verständlicheres Deutsch wären diese Programmpunkte mit Schaffung einer EU-kompatiblen Administration, Abnabelung von russischer Energie und Marktöffnung für EU-Konzerne zu übersetzen. Belarus und Aserbaidschan sahen sich aus innenpolitischen Gründen bald in der zweiten Reihe, für die übrigen vier Staaten sollte im November 2013 ein sogenanntes Assoziierungsabkommen am EU-Gipfel von Vilnius unterzeichnet werden. | |||
Der Kreml war allerdings in der Zwischenzeit nicht säumig gewesen. Seine Emissäre, allen voran der Ökonom Sergej Glasjew, zogen mit Zuckerbrot und Peitsche durch die von Brüssel ins Visier genommenen Republiken. Armenien und die Ukraine konnten im letzten Moment – nicht zuletzt über den Energiepreis – überzeugt werden, das EU-Angebot abzulehnen. Nur Georgien und Moldawien unterschrieben die Vereinbarung. Der Gipfel von Vilnius endete somit in einem Debakel; einzig jene zwei Republiken, deren Regierungen nicht über ihr gesamtes Staatsterritorium herrschten (Abchasien, Südossetien und Transnistrien standen und stehen bis heute nicht unter der Kontrolle von Tiflis bzw. Chișinău), unterschrieben die Abkommen. | |||
Insbesondere das Njet des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch schmerzte Brüssel. Kommissionspräsident José Barroso akzeptierte das ukrainische Nein nicht und setzte auf die Straße, wo anfänglicher Studentenprotest rasch von rechtsradikalen Kräften unterwandert wurde. Gemeinsam mit EU-Außenministern wie Guido Westerwelle gingen die Majdan-Kräfte im Dezember 2013 daran, die unter den Bürgern verbreitete Unzufriedenheit zu instrumentalisieren. Die Folgen sind bekannt: Janukowitsch wurde verfassungswidrig aus dem Amt vertrieben, die Ukraine zerfiel als Staat. Die Krim schloss sich der Russländischen Föderation an, die Anti-Majdan-Kräfte im Donbass gründeten die Donezker und Luhansker Volksrepubliken und die neue, mit bedeutsamer westlicher Hilfe an die Macht gespülte Regierung in Kiew begann einen Bürgerkrieg gegen die Sezessionisten im Osten. Slowjansk war die erste Stadt im Donbass, die am 2. Mai 2014 aus der Luft von Kiewer Militäreinheiten angegriffen wurde. | |||
Mit dem Regimewechsel vom Februar 2014 war es den USA – unter der Federführung der Sondergesandten Viktoria Nuland – gelungen, Brüssel als Drahtzieher für das weitere Schicksal der (Rest-)Ukraine abzulösen. Gemeinsam entwickelten Washington und Brüssel im März 2014 die Grundlagen für eine seit damals immer umfassender werdende Sanktionspolitik gegen Russland, die in der Geschichte beispiellos ist. Längst ist sie zu einem veritablen Wirtschaftskrieg ausgewachsen. | |||
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Aktuelle Version vom 23. Dezember 2025, 19:48 Uhr

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Hannes Hofbauer: |
Die vielfach unterschätzte, wenn nicht sogar ignorierte Rolle der Europäischen Union bei der Einkreisung Russlands begann spätestens im Jahr 2008. Nur ein Jahr nach dem EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien trafen sich die europäischen Außenminister am 28. Mai 2008 und setzten den vom Schweden Carl Bildt und dem Polen Radosław Sikorski ausgeheckten Plan zur fortgesetzten Osterweitung auf Schiene. Mit der sogenannten „Östlichen Partnerschaft“ sollten sechs ex-sowjetische Republiken ökonomisch und militärisch an die Brüsseler Union angebunden werden, ohne ihnen eine direkte Mitgliedschaft anzubieten. Dafür auserkoren waren Georgien, Moldawien, Armenien, Aserbaidschan, Belarus und die Ukraine. De facto war dies ein militärisch abzusicherndes Freihandelsangebot, um die sechs Staaten aus dem russischen Einfluss herauszulösen und sie für westeuropäisches Kapital zu öffnen. Die entsprechenden Schlagworte lauteten: institution building, energy security und economic integration. Auf verständlicheres Deutsch wären diese Programmpunkte mit Schaffung einer EU-kompatiblen Administration, Abnabelung von russischer Energie und Marktöffnung für EU-Konzerne zu übersetzen. Belarus und Aserbaidschan sahen sich aus innenpolitischen Gründen bald in der zweiten Reihe, für die übrigen vier Staaten sollte im November 2013 ein sogenanntes Assoziierungsabkommen am EU-Gipfel von Vilnius unterzeichnet werden.
Der Kreml war allerdings in der Zwischenzeit nicht säumig gewesen. Seine Emissäre, allen voran der Ökonom Sergej Glasjew, zogen mit Zuckerbrot und Peitsche durch die von Brüssel ins Visier genommenen Republiken. Armenien und die Ukraine konnten im letzten Moment – nicht zuletzt über den Energiepreis – überzeugt werden, das EU-Angebot abzulehnen. Nur Georgien und Moldawien unterschrieben die Vereinbarung. Der Gipfel von Vilnius endete somit in einem Debakel; einzig jene zwei Republiken, deren Regierungen nicht über ihr gesamtes Staatsterritorium herrschten (Abchasien, Südossetien und Transnistrien standen und stehen bis heute nicht unter der Kontrolle von Tiflis bzw. Chișinău), unterschrieben die Abkommen.
Insbesondere das Njet des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch schmerzte Brüssel. Kommissionspräsident José Barroso akzeptierte das ukrainische Nein nicht und setzte auf die Straße, wo anfänglicher Studentenprotest rasch von rechtsradikalen Kräften unterwandert wurde. Gemeinsam mit EU-Außenministern wie Guido Westerwelle gingen die Majdan-Kräfte im Dezember 2013 daran, die unter den Bürgern verbreitete Unzufriedenheit zu instrumentalisieren. Die Folgen sind bekannt: Janukowitsch wurde verfassungswidrig aus dem Amt vertrieben, die Ukraine zerfiel als Staat. Die Krim schloss sich der Russländischen Föderation an, die Anti-Majdan-Kräfte im Donbass gründeten die Donezker und Luhansker Volksrepubliken und die neue, mit bedeutsamer westlicher Hilfe an die Macht gespülte Regierung in Kiew begann einen Bürgerkrieg gegen die Sezessionisten im Osten. Slowjansk war die erste Stadt im Donbass, die am 2. Mai 2014 aus der Luft von Kiewer Militäreinheiten angegriffen wurde.
Mit dem Regimewechsel vom Februar 2014 war es den USA – unter der Federführung der Sondergesandten Viktoria Nuland – gelungen, Brüssel als Drahtzieher für das weitere Schicksal der (Rest-)Ukraine abzulösen. Gemeinsam entwickelten Washington und Brüssel im März 2014 die Grundlagen für eine seit damals immer umfassender werdende Sanktionspolitik gegen Russland, die in der Geschichte beispiellos ist. Längst ist sie zu einem veritablen Wirtschaftskrieg ausgewachsen.
Anmerkungen
Der vorliegende Text erschien am 12.12.2025 auf den Nachdenkseiten[1]. Die Phenixxenia-Version erscheint mit freundlicher Unterstützung des Autors auf Contemporary Warcraft.
Von Hannes Hofbauer ist zum Thema erschienen: „Im Wirtschaftskrieg. Die Sanktionspolitik des Westens und ihre Folgen. Das Beispiel Russland.“ (Promedia Verlag, Wien)