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[[Bild:Bruchsal 13.5.2025 C.jpg| | [[Bild:Bruchsal 13.5.2025 C.jpg|200px|left|thumb|Thomas Adam, Autor der Joß-Fritz-Biografie „Das verborgene Feuer der Revolution“. (Aufnahme: | ||
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Überhaupt hat es den Autor immer wieder gereizt, danach zu fragen, was eigentlich von einer vor 500 | Überhaupt hat es den Autor immer wieder gereizt, danach zu fragen, was eigentlich von einer vor 500 |
Aktuelle Version vom 13. Mai 2025, 16:03 Uhr


- Bauernführer Joß Fritz entzündete das „verborgene Feuer“
- Einzige Biografie in überarbeiteter und aktualisierter Auflage erschienen / Verständnis der Bundschuhunruhen durch neue Forschungen stark verändert
Bruchsal (PM) Bauernrebell, Geheimbündler, revolutionärer Mythos des frühen 16. Jahrhunderts: Joß Fritz, Organisator und Kopf der Bundschuhbewegung zwischen 1502 und 1525, in Untergrombach bei Bruchsal geboren, zählt ohne Frage mit zu den geheimnisumwittertsten Gestalten der deutschen Geschichte. Das „verborgene Feuer“, so verwünschten ihn die Behörden, habe er im Volk entzündet – und meinten damit das Feuer der Revolution. Begriffe wie „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“ sind es, die unter seinen politischen Forderungen als Leitmotive nachwirken bis in die heutige Zeit. Gefasst worden ist der umtriebige Aufrührer nie. Pünktlich zum 500. Jahrestag des deutschen Bauernkrieges von 1525 wird jetzt die einzige Biografie des Rebellen aus der Feder des Bruchsaler Kulturabteilungsleiters und Buchautors Thomas Adam in vierter, stark überarbeiteter und aktualisierter Fassung noch einmal aufgelegt.

„Es musste notwendiger Weise ein deutlich anderes Buch daraus werden, als es die ursprüngliche Version
gewesen ist“, sagt der Autor mit Blick auf die früheren Auflagen. Deutung und Verständnis der Unruhen unter dem Zeichen des Bundschuh im 16. Jahrhundert hätten sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten stark verändert, neue Blicke auf die Überlieferungsgeschichte rücken die Geschehnisse vor 500 Jahren in ein teilweise völlig anderes Licht. Das betrifft vor allem die kritische Frage, was die historischen Akten, Briefe und Chroniken eigentlich über den Bundschuh wirklich aussagen. Ausnahmslos sind es Dokumente der Obrigkeit, durch den Filter von Strafjustiz, Aufstandsfurcht und Kerkertorturen gelaufen, und daher alles andere als „objektiv“. Auch viel Panik, Umsturzfurcht und gerüchteweises Hörensagen ist im Spiel – was aber, sagt Adam, vor allem eines zeige: Schon bei bloßer Erwähnung des Namens Joß Fritz standen den Obrigkeiten sprichwörtlich die Haare zu Berge. Noch zu Lebzeiten war der Bauernrebell zu jenem teils gefürchteten, teils populären Mythos geworden, als der er bis in die Gegenwart nachwirkt. Immerhin: Der letzte von zwischenzeitlich Dutzenden historischen Romanen, in dem Joß Fritz eine Hauptrolle zukommt, stammt aus dem Jahr 2017, in Frankreich erschien unlängst eine Graphic Novel um den geheimnisvollen Bauernrebellen. So nimmt denn auch die Rezeptionsgeschichte des Joß Fritz zwischen 19. und frühem 21. Jahrhundert, die bis hin zu Versromanen, sinfonischen Dichtungen und Protestsongs reicht, einen breiten Raum am Ende des Buches ein.
Umgekehrt habe die Fülle der Bearbeitungen und der Deutungen der historischen Gestalt des Joß Fritz, durch Schriftsteller wie durch wissenschaftliche Autoren älterer Zeit, nach Adams Auffassung auch ein Stück weit die geschichtliche Wirklichkeit verstellt. Gerade weil man so wenig Gesichertes von ihm wisse, musste er als riesige Projektionsfläche dienen. Mit kräftigen Zügen zur Heroisierung seien die Anführer der Bauernbewegungen im frühen 16. Jahrhundert immer sehr groß gezeichnet worden, als wahre Heldengestalten, und dies von Anhängern aller politischer Couleur von weit links bis weit rechts. Heute gehe der große wissenschaftliche Pendelschlag genau in die entgegengesetzte Richtung, die Heroen werden von all den Legenden entschlackt, geradezu „dekonstruiert“, wie Adam sagt. Sein Ansatz, so der Autor, liege hingegen in der Mitte: Man müsse an die Überlieferung sehr wohl viele kritische Fragen stellen und zeitgenössische Gerüchte auch als solche entlarven, dürfe aber bei alledem nicht die enorme Wirkungsgeschichte des Bauernkrieges und insbesondere des Bundschuhführers aus dem Blick verlieren: „Mit diesem neuen, intensiveren quellenkritischen Blick wissen wir zwar immer weniger über das, was Joß Fritz während seiner Lebtage wirklich getan und gewollt hat, aber wir erhalten eine immer größere Ahnung davon, welcher legendäre und mystifizierte Status ihm bereits in seiner eigenen Zeit zukam.“

Überhaupt hat es den Autor immer wieder gereizt, danach zu fragen, was eigentlich von einer vor 500 Jahren, am Ende des Mittelalters, niedergeschlagenen Bauernbewegung für die Gegenwart noch relevant erscheint. Einerseits, meint Adam, trennen uns gedanklich ganze Welten von den Vorstellungen und Lebensanschauungen der Rebellen. Andererseits seien – mögen solche Vergleiche auch immer hinken – einige ihrer Probleme und Forderung durchaus auf die heutige Zeit zu projizieren: Klagen über die Höhe der Steuersätze, Überschuldung, Abwehrhaltung gegen zunehmende Bürokratisierung, Verlustängste eines gesellschaftlichen „Mittelstandes“ – das klänge doch, so der Autor, auch heutigen Ohren durchaus vertraut. Und so hat denn ein Besucher, wie Adam sich erinnert, in das Gästebuch einer 2002 in Bruchsal gezeigten Bundschuhausstellung auch den markanten Satz geschrieben: „Man könnte meinen, den Problemen des 21. Jahrhunderts begegnet zu sein.“
Thomas Adam: Joß Fritz – das verborgene Feuer der Revolution. Bundschuhbewegung und Bauernkrieg am Oberrhein im frühen 16. Jahrhundert. 4., aktualisierte, umfassend überarbeitete und ergänzte Auflage. (Reihe „Bausteine zur Geschichte der Stadt Bruchsal und ihres Umlands“, Band 4, herausgegeben von Konrad Dussel und Jürgen Treffeisen im Auftrag der Kommission für Stadtgeschichte der Stadt Bruchsal), 392 Seiten mit 189 Farb- und Schwarz-Weiß-Abbildungen, fester Einband. ISBN 978-3-95505-532-5. EUR 29,80. |