General a.D. Harald Kujat am 15.11.2025:I

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General a.D. Harald Kujat: „Für ein Kriegsende und eine europäische Sicherheits- und Friedensordnung“ |
Das 21. Jahrhundert ist geprägt vom Aufstieg Chinas zur wirtschaftlichen und militärischen Weltmacht. Der Ukrainekrieg hat gezeigt: Nicht Russland, sondern China ist der einzige ernsthafte Herausforderer der USA. Die bisherige amerikanische Strategie zielte darauf ab, Russland – den zweiten Rivalen – politisch, wirtschaftlich und militärisch so zu schwächen, dass man den strategischen Fokus auf China richten kann. Washington suchte den engen Schulterschluss mit Europa, um die NATO in ein indo-pazifischen Netzwerk mit Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea einzubinden.
Dagegen hat Präsident Trump in mehreren Telefongesprächen und dem Treffen am 15. August in Anchorage Putin aus der Isolation wieder auf die Weltbühne zurückgeholt und perspektivisch die Normalisierung der amerikanisch-russischen Beziehungen, möglicherweise sogar das Entstehen einer neuen Partnerschaft signalisiert. Bisher sind die damit verbundenen Erwartungen an ein Ende des Ukrainekrieges jedoch nicht eingetreten. Russland suchte nach dem Ende der Sowjetunion die Nähe zur NATO. Das Ziel war, eine Pufferzone, einen „Cordon sanitaire“ zwischen der NATO und Russland zu erreichen, um dort entstehende Krisen und Konflikte unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen beider Seiten gemeinsam zu lösen und eine direkte Konfrontation zu vermeiden. Ich erinnere an die Zeit enger politischer Abstimmung nach dem Grundlagenvertrag von 1997 und eine konstruktive militärische Zusammenarbeit im NATO-Russland-Rat der Generalstabschefs. Das führte dazu, dass Russland im Jahre 2000 sogar bereit war, der NATO beizutreten. Der Kern des Dissenses blieb jedoch: Das Streben der Ukraine nach einem NATO-Beitritt und die Autonomiefrage des Donbass, wie sie das Minsk II-Abkommen 2015 vorsah. Die bis Ende des gleichen Jahres umzusetzende Verfassungsänderung zugunsten der russischsprachigen Bevölkerung wurde nicht realisiert und der nach dem Putsch von 2014 entstandene Bürgerkrieg mit vielen Opfern nahm an Intensität zu.
Aus Moskauer Sicht hat die NATO-Erweiterung – jedenfalls um einige Staaten - das strategische Gleichgewicht zu Ungunsten Russlands verändert. Russland will als nuklearstrategische Supermacht mit den USA auf Augenhöhe bleiben, den US-Einfluss in Osteuropa zurückdrängen und seine Rolle als Energie- und Rohstoffmacht sichern.
China hält in Bezug auf den Ukrainekrieg einen moderaten Kurs – nicht neutral, aber interessengeleitet. Peking wirbt für eine multipolare Weltordnung, sieht im Westen den Hauptverantwortlichen für die gewachsenen Risiken, und setzt auf engere Kooperation mit Russland.
Trotz der angespannten Wirtschaftsbeziehungen mit China - China hat die Ausfuhr seltener Erden eingeschränkt – habe ich den Eindruck, dass Trump auch die politischen Beziehungen mit China entspannen und eine militärische Konfrontation um Taiwan vermeiden will. Das zeigt auch das Treffen mit Xi Jinping Ende Oktober, bei dem der Zollstreit beigelegt wurde.
China hat – teils gemeinsam mit Brasilien – Vorschläge für eine Verhandlungslösung vorgelegt und könnte beim Wiederaufbau der Ukraine eine zentrale Rolle übernehmen. Wünschenswert wäre ein amerikanisch-chinesischer Schulterschluss mit Blick auf Friedensgespräche – nicht zuletzt, weil dies den globalen Ordnungsrahmen stabilisieren könnte. Auch bei der Absicherung einer Friedensvereinbarung könnte China eine wichtige Rolle spielen. Das ist aber wohl nicht Chinas Absicht. Bei ihrem letzten Treffen haben Trump und Xi Jinping allerdings vereinbart, für ein Ende des Ukrainekrieges zusammen zu arbeiten. Das könnte Trumps Friedenbemühungen einen wichtigen Impuls geben.
Links
- Vertragsentwurf von Istanbul 2022 in der NYT vom 15.6.2024
- From Zelenskyy's "surrender" to Putin's surrender: how the negotiations with Russia are going, Roman Romaniuk in der Ukrainska Pravda vom 5. Mai 2022
- Possibility of talks between Zelenskyy and Putin came to a halt after Johnson’s visit - UP sources, Iryna Balachuk und Roman Romaniuk in der Ukrainska Pravda vom 5. Mai 2022
Anmerkungen
Dieser Vortrag, gehalten am 15. November 2025 im Haus der Begegnung zu Heidelberg, erscheint auf Phenixxenia.org mit freundlicher Unterstützung des Autors und Referenten General a.D. Harald Kujat.
- Es gilt das gesprochene Wort -